Lettland

In Lettland haben wir Schloss Rundale besucht und sind dann zur Ostseeküste gefahren. Liepaja, Ventspils, Kap Kolka und der Kemeri-Nationalpark waren Stationen. Dann ging es über Jurmala nach Riga, eine der beiden Europäischen Kulturhauptstädte 2014, und danach zum Kanufahren im Gauja-Nationalpark. Über die Doppelstadt Valka, LV / Valga, EE sind wir nach Estland eingereist.


Beim Grenzübergang Murati /EE und Veclaicene / LV sind wir am 18. August wieder nach Lettland gekommen. Wir tändelten durch den Osten des Landes, von Aluksne nach Daugavpils, blieben noch eine Weile an den Daugava-Schleifen, und fuhren am 24. August wieder zurück nach Litauen.

 

Moderne Kunst in der militärischen Geisterstadt

Hohe Mauern, davor ein tiefer Graben, sechs Forts, eine Zitadelle, acht Bastionen - die riesige Zarenfestung von Daugavpils mussten wir zu Fuß erkunden, denn das Womo passte nicht durch die Festungs-Tore. Im Inneren stehen die meisten Gebäude leer und zerfallen, wenige Häuser aus der Zarenzeit werden renoviert, wie etwa die ehemalige Kommandantur. Aber wir sind heute eh nur an der neuen Nutzung des Arsenals interessiert, dem Mark-Rothko-Kunstmuseum.

Marcus Rothkowitz wurde 1903 in Dvinsk /Russland (heute: Daugavpils /Lettland) als Sohn jüdischer Eltern geboren und verbrachte hier seine ersten Jahre. 1913 emigrierte die Familie nach Portland /USA. Seine ersten Gemälde waren durchaus gegenständlich, erst später abstrahiert er immer mehr und entwickelte seinen sehr eigenen Stil. Im Kunstmuseum sind einige Reproduktionen (Foto) und sechs Originale aus unterschiedlichen Schaffensperioden zu sehen.

Lettische Hilfsbereitschaft am Sonntagmorgen

Nach freier Übernachtung in Daugavpils bemerken wir einen Nagel im rechten Vorderreifen und fahren zur nächsten Tankstelle. Ein freundlicher Tankstellenkunde leitet uns zur nächsten Tanke mit Reifenservice. Es ist aber Sonntag, 8.30 Uhr, die Werkstatt hat heute zu. Unser Lotse ruft den Mechaniker an. Wir frühstücken erst mal und haben ein nettes Gespräch mit dem Tankwart. Der Mechaniker ist nach 30 Min. da, repariert unseren Reifen in 15 Min. und will dafür 15 Euro.

Die russisch geprägte Industriestadt Daugavpils

Die mit knapp 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern zweitgrößte Stadt Lettlands entwickelt ihren Charme erst auf den zweiten Blick. In beiden Weltkriegen wurde die Stadt ausgebombt und sehr stark beschädigt. Mit den Industrieunternehmen in der Nachkriegszeit kamen zugleich zahlreiche russische Spezialisten in die Region. Umgangssprache in Daugavpils ist nach wie vor überwiegend russisch, alle jungen Menschen lernen erst seit der Unabhängigkeit lettisch in der Schule.

Nach und nach werden die Perlen, die die Weltkriege überstanden haben, restauriert. Schön fanden wir die Jugendstilgebäude in der Saules iela (Sonnenstraße). Die parallele Rigas iela ist fast von der Daugava bis zum Bahnhof eine Fußgängerzone. Daneben laden Parks und Gärten, der Zoo und die Esplanade zum Spazieren ein. Die Ufer der Daugava sind jedoch hoch und fest betoniert, und daher nicht für Freizeitaktivitäten nutzbar.

Wir haben sechs Kirchen in Daugavpils besucht. Allein vier stehen dicht zusammen im Quartier hinter dem Bahnhof: die schlichte Martin-Luther-Kirche aus rotem Backstein, die prächtige russisch-orthodoxe Boris-und-Gleb-Kathedrale; in der Kirche der Altgläubigen verwehrte uns die schroff-unfreundliche Türsteherin den Zutritt. Die katholische Marienkirche, zwischen den Handelshäusern von Würth und Volkswagen, wird gern von der polnischen Gemeinde genutzt.

Im Naturpark Daugavas Loki und bei den Altgläubigen

Gemächlich windet sich die breite Daugava durch das Tal. Neun Schleifen zieht sie auf ihrem Weg von Kraslava nach Daugavpils, vorbei an mächtigen Findlingen und „Steilhängen“ durch den Naturpark Daugavas Loki (Daugava-Bögen). Dass sie noch so ruhig mäandern kann, verdankt sie dem Widerstand der Bevölkerung. Die sowjetisch-lettische Regierung plante in den 1980er-Jahren hier einen riesigen Stausee mit Staudamm zur Stromgewinnung.

Im Stausee verschwunden wäre dann auch das Altgläubigendorf Slutiski. Dank dem Engagement der Bevölkerung ist es nicht dazu gekommen. Seit 1988 steht das Dorf unter besonderem Schutz, weil hier seit Jahrhunderten altgläubige (altorthodoxe) Russen leben. Sie wohnen in Holzhäusern mit kunstvollen Verzierungen an Fenstern und Türen, die Gärten voller Blumen. Noch heute leben sie überwiegend von der Landwirtschaft.

In diesem Haus lebte noch bis 2001 eine Familie, mit genau den Möbeln und Einrichtungsgegenständen, die wir uns heute im Museum anschauen konnten. Es gibt einen Vorratsraum, eine Schlafkammer und die gute Stube, mit ebenfalls einem Bett samt schwebendem Kinderbett und einem Lager auf dem warmen Ofen. Auf dem Tisch steht eine große Keramikschüssel, zehn Löffel liegen drumrum. Da musste man schnell sein, wenn man satt werden wollte.

Zur Wallfahrt nach Aglona

Rund um den 15. August war hier der Teufel los (oder so): An Maria Himmelfahrt pilgern alljährlich Zehntausende zur Wallfahrtskirche nach Aglona. Wir haben noch die Girlanden an der Außenbühne und den Blumenschmuck im Inneren der barocken Kirche bewundern können. Die schneeweiße Basilika ist umgeben von einem großen Wiesengelände und von einer Mauer umschlossen. Hauptsehenswürdigkeit ist die Ikone der „Agloner Gottesmutter“.

Hier waren mal russische Atomraketen

Aktive Militäranlagen schauen wir uns nicht an, wohl aber ehemalige. In Zeltini haben wir das einst streng geheime Militärobjekt der Sowjetarmee besucht. Das Gelände der ehemaligen Atomraketenbasis ist frei zugänglich, sogar die unterirdischen Bunker. Betonwege führen durch die riesige Anlage im Wald. Die Häuser und Hangars zerfallen, die Natur überwuchert die Kriegsgeräte. Einzig der „Leninplatz“ wird gepflegt; der Kopf stand früher im Zentrum von Aluksne.

Idylle am Aluksne-See

Mo 18. – Do 21.8.2014. Der Tempelberg, ein alter Burgberg der Lettgaller, ragt steil in die Höhe. Eine Legende berichtet, dass während des Großen Nordischen Krieges russische Soldaten den Wall errichteten, um das Schloss von Aluksne auf der Schlossinsel besser beschießen zu können. Vom „Ruhmestempel“, einer Rotunde aus Granit, genießen wir den Blick auf Aluksne und den See. Die Vorgängerin der „Sonnenbrücke“ wurde 1937 erbaut, um „die Stadtlandschaft reizender zu gestalten“ (Stadtprospekt).

Das Neue Schloss im neugotischen Stil der Tudors beherbergt zwei Museen. Die riesige Parkanlage im dazu passenden englischen Stil haben wir mit den Rädern erkundet. Fünf Springbrunnen – abends mit Lichteffekten – Pavillons, Tempelchen und ein Obelisk krönen die steilen Hügel, Jogger schnaufen bergauf. Und immer wieder herrliche Blicke auf den See und die Insel mit der Ruine der alten Burg (heute Freilichtbühne) und den Tempelberg auf der Halbinsel.

1683 zog der deutsche Pfarrer Ernst Glück nach Aluksne und begann mit seinem Lebenswerk – der Übersetzung der Bibel ins Lettische. Nach zwei Jahren hatte er das Neue Testament fertig, bis 1687 brauchte er für die Übersetzung des Alten Testaments. Zum Andenken an die geleistete Arbeit pflanzte er im Park des Pfarrhauses zwei Eichen, die noch heute grünen. Im Bibelmuseum kann man eine Erstausgabe der Glück-Bibel von 1694 anschauen.

Zwischen Gulbene und Aluksne fährt die einzige, noch aktive Schmalspurbahn des Baltikums. Für die 33 km lange Strecke benötigt das Bähnle auf seiner 75 cm-Spur knapp eineinhalb Stunden. In der Ferienzeit fährt es zweimal am Tag, sonst dreimal, mit bis zu 40 km/h. Die Einheimischen nutzen die Bahn, um zur Schule, zur Arbeit – oder einfach zu den besten Sammelstellen für Beeren und Pilze im Wald zu gelangen.

Die pure Idylle am Aluksne-See haben wir auch auf unserem Camping Ezermalas 44 genossen. Der ruhige See im Morgenlicht, bei Abendrot schnatternde Enten, eine sanfte Brise im Schilf. Nachbarn waren schwimmen im 20 Grad warmen Wasser, Anglerglück hatte niemand. Während Bruno den See mit dem Fahrrad umrundet hat (22 ??? km, teilweise übelster Schotterweg), hat der Besitzer des Campingplatzes uns Frauen mit dem Auto zu einem pilz- und beerenreichen Waldstück gefahren.

Beate war „in den Pilzen“

Grenzübergang Murati /EE und Veclaicene / LV

Mo 18.8.2014. Wir sind wieder in Lettland – und damit sind wir wirklich auf der Heimreise, auch wenn sie sich noch ein paar Wochen hinzieht. Wir wollen den Osten des Landes erkunden und ganz langsam nach Süden reisen. Die Getreideernte ist fast abgeschlossen. Abends wird es bereits merklich früher dunkel. Die Tageshöchsttemperatur liegt kaum noch über 20 Grad, täglich gibt es mindestens einen Regenschauer: Der Herbst kommt früh im Baltikum.

<<< Hier geht's weiter von Estland, oben.

>>> bitte weiterlesen in Estland, Textende.

Die doppelte Grenzstadt Valka/LV und Valga/EE

Als Grenzübergang zwischen Lettland und Estland wählen wir wieder eine Doppelstadt: Das lettische Valka und das estnische Valga wachsen (wie Görlitz/D und Zgorzelec/PL) wieder als europäische Städte zusammen. 2007 wurden die Grenzkontrollen eingestellt. Schön, dass der Grenzposten nicht mehr besetzt ist, und Fußgänger und Radfahrer an diesem schmalen Grenzübergang ungehindert weiter können.

Aus dem Camper-Alltag

Wir sind hier im Schwarzbrotparadies. Vollkornbrot, Pumpernickel und 30 Stunden lang gebackenes Roggenbrot sind superlecker und begleiten uns in Litauen und Lettland (und hoffentlich auch demnächst in Estland). Oft sind die Brote mit Malz dunkler gefärbt und (leider) fast immer mit Kümmel gewürzt. Doch auch die Toskana-Fraktion kommt hier auf ihre Kosten: Überall gibt es französische Baguette, italienische Ciabatta und hiesige Weißbrotlaibe.

Auch wer tote Schweine oder tote Fische nicht über die Lippen bringt, wird im Baltikum nicht verhungern. Vegetarierinnen und Veganer können aus dem überaus reichhaltigen Obst- und Gemüseangebot wählen - im Supermarkt, der Bauern-Markthalle oder direkt bei den Beeren- und Pilzsammlern am Straßenstand. Auch auf jeder Restaurant-Speisekarte haben wir Veggi-Gerichte gesehen: viele Suppen, meist auch Blini und Pelmeni, Gemüsereis und Kartoffelauflauf.

Cesis – eine der lettischsten Städte in Lettland

Die lettische Fahne, stolzes Symbol des Freiheitskampfes, stammt aus dem kleinen Städtchen Cesis. Der Schwertbrüderorden hat hier schon 1207 bis 1209 eine gewaltige Burganlage errichten lassen, die St. Johanneskirche wird auf das Jahr 1283/1297 datiert. Der Bummel durch die Altstadt zeigt bestens renovierte Bürgerhäuser aus Ziegelsteinen und Holz, aber auch hier sehen wir dringend notwendigen Sanierungsbedarf.

Und auch wieder überall gepflegtes Grün in Anlagen, Rabatten und Pflanztrögen. Während Beate und Anne einen eher ruhigen Tag wünschen, radeln Felix und Bruno zur Erkundung in das kunstsinnige Cesis, das neben Museen, Freilichtbühne, Orgelkonzerten auch eine stattliche Brauerei beherbergt, und das seit rund 500 Jahren. Damit ist sie eine der ältesten Brauereien im ganzen Baltikum. Und das Bier schmeckt überaus lecker.

Gestern war Waschtag, heute ist endlich Urlaub !

Im Gauja-Nationalpark

Die erstaunlich breite, braune und wasserreiche Gauja mäandert durch den gleichnamigen Nationalpark. Schwimmen wird nicht empfohlen, wohl aber Kanu fahren. Spontan hat sich auf dem Campingplatz eine Gruppe gefunden, die gemeinsam mit Mietkanus zur Tagestour aufbricht. Bestens vom Camping „Apalkalns“ organisiert werden wir mit Transporter und Bootsanhänger zur Einstiegsstelle nach Cesis gebracht.

Drei Paare aus Essen, Traunstein, Bremervörde und wir beide paddeln fünf Stunden (17 km) ohne jeden Fahrzeuglärm durch die unberührte Natur zu Tal. Wir bewundern die „Steilwände“ aus rotem und gelbem Sandstein, manche mit Vogelhöhlen, andere zerklüftet; einige Bäume sind über die Abbruchkante ans Ufer gestürzt. Ein paar Unterströmungen und Strudel, quer liegende Bäume und kleinere Stromschnellen sind auch für uns Ungeübte keine Herausforderung.

Wohl aber der Ausstieg zum ersten Picknick in feinstem Sand: Bruno zieht das Boot der Essener so eifrig an Land, dass der erfahrene Ruderer keine Chance hat, das Gleichgewicht zu halten und ins Wasser muss. Pardon, Thomas. Zum Glück war auch heute trocknungsförderndes Kaiserwetter – und die ganze Gruppe ohnehin bestens drauf. Für uns alle war die Kanutour ein besonderes Naturerlebnis.

Im ethnografischen Freilichtmuseum

Auf rund 80 ha Fläche ist die ganze bäuerliche Kultur Lettlands versammelt: Es gibt große Bauernhöfe aus den Regionen Kurzeme, Zemgale, Letgale und Vidzeme und ein komplettes Fischerdorf, Windmühlen und Holzkirchen, eine Schmiede und ein riesiges Wirtshaus, in dem die Gäste samt ihren Pferden und Kutschen bequem unterkommen konnten. Mehr als 100 Gebäude wurden hier wieder errichtet; die ältesten Häuser sind über 300 Jahre alt.

Das sieht zwar aus wie ein Sarg, ist aber keiner. Das ist ein Bienenhaus. Der Baumstamm ist etwa zwei Meter lang und innen ausgehöhlt. Über Einfluglöcher gelangen die Bienen ins Innere und können die Waben für ihre Brut anlegen. Wenn die Imkerin das Dach entfernt, kann sie die Honigwaben entnehmen – und gut mit Zucker nachfüttern, damit das Bienenvolk über den harten Winter kommt.

Wir sind Fußball-Weltmeister

Tatsächlich, wir sind Weltmeister! Nachdem es weder in Riga noch auf unserem Camping Public Viewing des Endspiels gab, haben wir wieder mit unserem hervorragenden Receiver und HDTV-Flachbildschirm das spannende und lange Finale verfolgt. Vor brillantem Bild haben wir dem erlösenden Tor von Götze entgegengefiebert. Unser lieber Nachbar Jürgen kommentierte: "Argentinien ist Papst und wir sind WM !"

 

Noch’n Gedicht

Heinz Erhardt, der geniale Musiker, Komponist, Schauspieler, Dichter und Unterhaltungskünstler im besten Sinne des Wortes (die Älteren werden sich erinnern und den Jüngeren berichten…) wurde 1909 in Riga geboren. Seine Karriere startete in den 1930er Jahren mit selbst komponierten Liedern und komischen Texten auf Abendgesellschaften, Vereins- und Familienfesten in Riga. In den 1950er und 1960er Jahren zählte er zu den beliebtesten Komikern in Deutschland. Er starb 1979 in Hamburg.

Die europäische Hauptstadt des Jugendstils

Die Europäische Kulturhauptstadt 2014

11.-15. Juli. Riga begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein. Die Gebäude rund um den Rathausplatz sind alle neu; sie wurden im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört. Das Schwarzhäupterhaus (rechts) wurde erst 1999 originalgetreu mit niederländischer Renaissance-Fassade wieder aufgebaut. Demnächst zieht hier die Kanzlei des Präsidenten der Republik Lettland ein. Links im Hintergrund steht die Petrikirche.

Riga ist wie jede Hauptstadt voller diplomatischer Vertretungen. Der deutsche Botschafter residiert in diesem schmucken Heim. Andere Botschaften sind in wunderschön renovierten Jugendstilvillen untergebracht. Die russische Botschaft hat auf das Hissen der Flagge verzichtet. Die aktuelle US-Vertretung haben wir nicht gesehen, lediglich das frühere Botschaftsgebäude, das sich hinter dicken Zäunen und umgeben von Panzersperren präsentiert.

Rund ein Drittel des Stadtzentrums von Riga ist im Jugendstil gebaut. Die meisten der 800 Hausfassaden sind schön renoviert, einige warten noch auf die Sanierung. Beim Spaziergang durch die Alberta und die Elizabetes Straße kann man leicht Genickstarre bekommen. Denn nicht nur die Fassaden, sondern auch die Giebel sind reich mit überlebensgroßen Figuren geschmückt.

Die Europäische Kulturhauptstadt hat zur Welt-Chor-Olympiade geladen: Rund 20.000 Sängerinnen und Sänger aus aller Welt treten zum Wettstreit an. In zwei Parkanlagen gab es die ganze Woche drei- bis viermal täglich öffentliche Konzerte, das Fernsehen berichtete ausführlich. Wer in den einzelnen Kategorien gewonnen hat, wissen wir nicht. Uns haben die Chöre aus Südafrika und Norwegen am besten gefallen; die konnten nicht nur singen, sondern boten auch gute Performance.

Der Zentralmarkt ist einer der größten und ältesten Märkte Europas. Für die fünf Hallen wurden die Dächer einer früheren Zeppelinfabrik demontiert und hier wieder aufgebaut. Jeder Hangar hat einen Verkaufsschwerpunkt – Fisch und Meeresfrüchte, Obst und Gemüse, Geflügel und Eier, Fleisch sowie Milchprodukte. An den Ständen rund um die Markthallen gibt‘s Blumen, Gemüse, auch frische Pfifferlinge und das sommerliche Beerenparadies. „Stalins Geburtstagstorte“ im Hintergrund markiert den Beginn der Russischen Vorstadt.

Das Okkupationsmuseum setzt auch architektonisch einen Akzent in der ansonsten prächtig herausgeputzten Rigaer Altstadt. Hier wird die Geschichte der Besatzungen Lettlands erzählt – von der kurzen Selbständigkeit nach dem Ersten Weltkrieg, der sowjetischen Besetzung nach dem Nichtangriffspakt zwischen Hitler und Stalin 1940, dem Einmarsch der Deutschen 1941 und der Ermordung von 90 Prozent der jüdischen Bevölkerung (200.000 Menschen). Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich die Westmächte nicht für die Unabhängigkeit der baltischen Staaten eingesetzt. Ihre Freiheit von der sowjetischen Besatzung haben die Letten erst 1991 erkämpft.

Die Ostsee vor der Haustüre

Endlich Sommer an der Badewanne Rigas

7. – 11. Juli. Jurmala, eine Ansammlung von Dörfern am 25 km langen Rigaer Sandstrand, war schon vor 100 Jahren eine mondäne Badegegend. Davon künden die wieder schön renovierten Hotelpaläste aus Glas und Metall, die herrschaftlichen Holzvillen in den Dünen, die schmucken Herrenhäuser und architektonischen Perlen aus diesem Jahrtausend. Die Fußgängerzone des Hauptortes Majori braucht den Vergleich mit der Rüdesheimer Drosselgasse nicht zu scheuen.

Feiner weißer Sand lädt zum Sonnen ein. Vor dem Baden steht ein kleiner Spaziergang auf dem Programm, denn das Wasser ist auf den ersten hundert Metern sehr seicht – ein idealer Kinderstrand. Die Infrastruktur am Strand ist bestens: alle 100 m ein Papierkorb, alle 200 m eine Toilette eine Umkleidekabine und eine Doppelbank. Der Sand ist hier so fest, dass wir prima Fahrrad fahren können.

Einen Verleih von Strandkörben, Liegen und Sonnenschirmen sucht man meist vergeblich; die Leute liegen auf ihren Handtüchern an der Wasserkante oder nutzen die Bänke am Rand der Dünen. Nur bei zwei großen Hotelkomplexen in Majori warten Liegen auf Kunden. Die Ruhestätten vor dem Baltik Beach Hotel, einem renovierten 5-Sterneschuppen, waren besonders mondän – Doppelbetten mit Rundum-Vorhang und persönlichem Kellner.

Aus dem Camping-Alltag

Lettland ist Mitglied der Europäischen Union, und das merken wir auch im Supermarkt: Wir kaufen spanische Tomaten, griechischen Feta, holländische Zucchini und frisch eingelegte lettische Gurken aus dem großen Glasbottich. Wir verschmähen Paulaner-Bier, Jakobs-Kaffee und russischen Vodka. Dafür sind wir dankbar für „Filtertüten“ (steht so auf der Packung!), die gerade ausgegangen sind. Selbst kleine Dörfchen haben ihren „Tante-Emma-Laden“ mit Vollsortiment, täglich geöffnet von 8 bis 22 Uhr.

Die Sanitärausstattung der Campingplätze ist höchst unterschiedlich: In Ventspils beispielsweise gab es neue, immer saubere Toiletten und Duschen; in Klapkalnciems sind wir 200 m vom Toilettenhaus zum Duschhaus spaziert, in dem drei Duschköpfe in einen offenen Raum ohne Abtrennung ragen. Die engen Abwasserrohre sind überall ein Problem, weshalb wir das Toilettenpapier nicht in die Kloschüssel werfen, sondern in die daneben stehende Tonne. Diese mobilen WC-Wagen haben wir öfter an Strandparkplätzen oder in Städten gesehen.

Auch hier kommt der Strom aus der Steckdose. Die Leitungen bis dahin laufen entlang der Land- und sonstigen Straßen. Meistens haben sie einen Fuß aus Beton, der im Erdreich verankert ist. Der eigentliche Strommast ist aus Holz und beginnt erst einen Meter über dem Boden. Unsere Erklärung dafür: Holz ist biegsamer als Beton und kommt besser mit Sturm und Eis zurecht. Damit der Holzmast im Winter nicht im Schnee steckt, beginnt er eben etwas höher.

Drei Tage im Kemeri-Nationalpark

5. – 7. Juli. Westlich von Riga und Jurmala erstrecken sich große Feuchtgebiete. Um sie zu schützen, wurde 1997 der Kemeri-Nationalpark eingerichtet. Wir waren so begeistert, dass wir gleich dreimal hinein gefahren sind. Erst mit dem Fahrrad von der Küste zum Slocene See und nach Smarde. Dieser Bauernhof inmitten der bunten Magerwiesen hat uns an ein Schwarzwaldhaus erinnert.

Am nächsten Tag sind wir mit dem Womo über die Schotterpiste an den Rand des größten Sumpfes von Lettland gerumpelt. Dort gibt es einen erstklassigen, 3 km langen Bohlenweg durch das Hochmoor. Wir haben den Vogelbeobachtungsturm zwar erklommen, aber leider keine Vögel gehört oder gesehen. Nur zuwachsende Seen, tiefgründige Moorpflanzenteppiche, ein paar Sträucher und Bäume. Übernachtet haben wir beim Nationalparkhaus, allein mitten im Wald.

Den nächsten Schotterweg wollten wir dem Womo nicht zumuten, die Äste ragen zu niedrig in die Piste. Wir schnüren die Wanderschuhe und spazieren zum Slokas See. Der seichte, lagunenartige See empfängt uns mit einem besonderen Duft: Schwefelquellen treten hier ans Licht und verbreiten den Geruch von faulen Eiern. Früher wurde hier im Heilschlamm gebadet. Vom Vogelbeobachtungsturm entdecken wir eine Schwan-Familie und eine Graugansmama mit ihrem Nachwuchs.

Das schwefelsaure Wasser ist auch die Basis für das zur Zarenzeit mondäne Kurbad Kemeri. Die Mineralquelle verspricht Heilung von Gelenkschmerzen und Hautkrankheiten und soll insgesamt ein Jungbrunnen sein. Wir schlendern durch den schön angelegten Kurpark, bewundern die vielen kleinen Eisenbrücken über die mäandernde Versupite. Die früheren Sanatorien sind halb zerfallen. Doch finden sich in jüngster Zeit Investoren, um das Kurbad wieder zu beleben.

Nördliches Ende für den Weinbau

Sabile sollte jedem Weinkenner ein Begriff sein: In Sabile stehen die am weitesten nördlich gelegenen Weinreben in einem überschaubar kleinen Weinberg. Wie der nördlichste Wein der Welt schmeckt, konnten wir leider nicht testen, denn das zentral gelegene Gasthaus, das mit Weinausschank wirbt, hatte nur noch Apfel- und Aronia-Wein im Angebot. Vielleicht gibt es die edlen Tropfen ja beim Weinfest Ende Juli?

Auch wegen der Puppenausstellung an der Hauptstraße ist Sabile einen Abstecher wert: Von den Fußballjungen in den unterschiedlichen Trikots bis zu den Familien mit Kinderwagen, von dem Musikanten bis zum Kaffeekränzchen, von den Frauen an Bügeleisen und Nähmaschine bis zu den Männern an der Säge – allesamt herzallerliebt anzuschauen.

Am Ende der Welt versumpft

Nach Stikli führt nur eine staubige, sandige, geschotterte Piste. Und dann ist Schluss. Wie wir mit den Rädern erkundet haben, enden die anderen Wege aus dem Dorf alle an einem der Seen in der Umgebung oder im morastigen Wald. Denn Stikli liegt inmitten eines ausgedehnten Moorgebiets, das teilweise unter Naturschutz steht. Im Ort selbst geht es eher lebhaft zu: Viele Kinder auf den Straßen, tolle Kinderspielplätze und Ertüchtigungsgeräte für alle Altersgruppen. Wohnen können sie in den viergeschossigen Plattenbauten oder den schmucken Villen mit Garten gleich nebenan.

Rund um den Usma-See

Di, 1.7. - Fr, 4.7. Kühl und überwiegend trocken. Direkt vom Womo aus haben wir diesen Blick über den Usma-See, einen der schönsten und größten Seen der Region Kurzeme/ Kurland. Die Marina gegenüber ist der einzige Jachthafen Lettlands. Der See ist sehr fischreich. Angler erhalten auf dem Campingplatz eine Karte des Sees, in der die besten Fanggebiete für die unterschiedlichen Fischarten verzeichnet sind. Wir lassen angeln und schmausen den erfolgreichen Fang der Fischer.

Die evangelische Kirche von Usma besteht ganz aus Holz und wurde ohne einen einzigen Nagel gebaut. Begeistert hat uns das hölzerne Schindeldach – und die Innenausstattung, die wir durch das Fenster erspähen konnten: Statt auf Holzbänken sitzen die Gläubigen hier auf dem wohl ausrangierten Gestühl eines Kinos. Nette Idee.

Mit diesem Foto wollten wir zeigen: Die meisten Leute in Usma schauen über den europäischen Satelliten Astra fern, die SAT-Schüsseln sind nach Süden ausgerichtet. Nur die kleine russische Kolonie hat die Ost-Ausrichtung gesucht – und auf dem Dach des Wasserturms den idealen Platz für ihre Empfangsanlage gefunden; das Antennenkabel schwebt in der Luft bis zum nächsten Wohnblock.

In der Kurländischen Schweiz

Die Umgebung von Talsi ist für lettische Verhältnisse so hügelig, dass sie auch „Kurländische Schweiz“ genannt wird. Die Stadt selbst wurde auf neun Hügeln erbaut und umschließt zwei Seen. Viele Parks und Gärten ziehen sich durch Talsi. Blumenrabatten flankieren die hübschen Holz- und Steinhäuser. Die 1567 erbaute evangelische-lutherische Kirche dominiert einen der Hügel, ist aber leider geschlossen.

Wo sich Ostsee und die Rigaer Bucht vereinen

Auf der einen Seite braust die See schäumend ans Ufer, auf der anderen Seite kräuseln sich kaum Wellen: Das Kap Kolka markiert den Übergang der rauen Ostsee in die Rigaer Bucht. Wobei „rau“ relativ ist, zumindest im Vergleich zu Skagen/DK, wo die Nordsee und die Ostsee aufeinanderprallen. Das Kap Kolka liegt inmitten des Slitere-Nationalparks, einem einzigartigen Küstenurwald, in dem man wunderbar radeln kann – vorausgesetzt, das Wetter macht mit. Die Fässer am Meer versprechen eine ungestörte Nachtruhe.

Die Rigaer Bucht überrascht mit einer „Steilküste“, die wir über einen bestens präparierten Waldweg erreichen. Damit die Touristen nicht den Abhang zerstören oder sich beim steilen Abstieg verletzen, haben die Letten stabile Holzbohlenwege und Treppen gebaut, die bequem hinunter zum Strand führen. Dazu gibt’s an der Straße einen Parkplatz, Wegweiser und Erklärungstafeln auf Lettisch und Englisch, manchmal zusätzlich auf Russisch und Deutsch.

Das Livendorf Mazirbe

Die Sowjetherrschaft hat einem der kleinsten Völker Lettlands arg zugesetzt. Das Volk der Liven siedelte an der Nordwestküste und lebte vom Fischfang. Zu UdSSR-Zeiten war dies militärisches Sperrgebiet. Bootsfahrten auf dem offenen Meer waren verboten, denn die schwedische Küste ist nicht weit. Das Fischervolk verlor damit seine Lebensgrundlage, die meisten verließen die Livenküste, ihre Boote wurden von den Soldaten zerstört.

Mit der lettischen Unabhängigkeitsbewegung lebten auch die Initiativen zum Erhalt der livischen Kultur wieder auf. Heute haben die Liven einen Sitz im Parlament. An der Universität Riga wird die livische Sprache gelehrt. In dem Dorf Mazirbe steht das „Haus des Livischen Volkes“, in dem sich alljährlich im August die Liven zu einem großen Fest treffen. Gleich gegenüber gab‘s ein Fachgespräch über verschiedene Varianten des Fischräucherns (sechs leckere Fische für 3,20 Euro).

Ein Horchposten für die Wissenschaft

Im ehemaligen Städtchen der UdSSR-Armee wird auch heute noch geforscht, allerdings im Dienste der freien Wissenschaft: Das Internationale Zentrum für Radioastronomie in Irbene unterhält zwei Radioteleskope. Eines davon ist mit 32 m Durchmesser das größte Teleskop Nordeuropas und das achtgrößte Radioteleskop der Welt.

Werbung für den Wintersport

Auch Ventspils ist eine Stadt der Blumen. Und des Wintersports. Im Olympischen Zentrum trainieren nicht nur die Kanuten und die Skater, sondern auch die Curling-Teams. Vom 52 m hohen Skiberg „Lembergs Hut“ geht es 240 Meter in rasanter Abfahrt ins Tal. Dazu gibt es einen Snowboardpark mit Sprungschanzen und einen Bereich für Schlauchrodeln. Der Lette Martins Dukurs gewann 2011 und 2012 die Skeleton-WM - der erste Wintersport-Weltmeister nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit Lettlands. Bei der Skeleton-WM 2013 und den Olympischen Spielen 2014 erreichte er den zweiten Platz.

Kleine Kuhparade von Ventspils

Eine lebendige Stadt mit Kuhparade

Fr, 27.6. bis So, 29.6. Früher war Ventspils der Ostsee-Ölhafen der Sowjetunion, daher war schon immer Geld in der Stadt. Heute gibt es immer noch riesige Öllager im Hafen, doch die Stadt hat sich schön herausgeputzt: Die Livländische Ordensburg, die älteste mittelalterliche Festung in Lettland, strahlt in fröhlichem Gelb. Das Kulturzentrum und die modern gestaltete Bibliothek, die hervorragenden Radwege und die attraktiven Spielplätze für Kinder belegen, wie hier die Prioritäten gesetzt werden.

Schmale, gepflasterte Straßen und kleine Holzhäuser aus dem 19. Jahrhundert sind in Ostgals vereint. Der Stadtteil an der Mündung der Venta in die Ostsee entstand auf Geheiß des russischen Zaren. Er befahl den Bauern, in den Dünen zu siedeln, um die Stadt vor weiteren Sandverwehungen zu schützen. Heute bestaunen wir das idyllische Quartier – und rumpeln mit den Fahrrädern über das grobe Kopfsteinpflaster.

Der Markt von Ventspils ist riesig: In drei langen Häuserreihen bieten die Obstbauern und Gemüsehändler ihre Erzeugnisse an. Davor gibt es an offenen Ständen Schuhe und Büstenhalter, Haushaltswaren und Kinderspielzeug. Dahinter hat Bruno im Keller unter den Kleiderboutiquen die Fischverkäufer entdeckt. Deshalb essen wir heute Mittag eine fein geräucherte Lachsrolle und heute Abend Lachsfilet auf der Haut.

Das Freilichtmuseum gleich neben unserem Campingplatz bewahrt Zeugnisse aus dem Alltag der Letten und Liven: Wohnhäuser und Räuchereien, Boote und Anker der Meeresfischer, eine Netzhütte, eine Schmiede und eine (im Vergleich zu Ostfriesland) riesige Windmühle. Eine Schmalspureisenbahn mit Dampflok und offenen Wagen bringt die Gäste vom Museum zum Erlebnispark.

Der höchste und der breiteste Wasserfall

Kuldiga ist ein malerischer, verschlafener Ort im Landesinneren. In der Fußgängerzone ist die Werbung dezent geblieben; erst beim Blick in den Laden sehen wir, was verkauft wird. Viele Häuser sind liebevoll restauriert, manche warten noch auf die Sanierung. Das kleine Alex-Flüsschen schlängelt sich durch die Altstadt – und bildet dann mit gerade mal 4,5 m den höchsten Wasserfall Lettland.

Kuldiga schmückt sich auch mit dem breitesten Wasserfall Europas: Zwar ist er nur etwa zwei Meter hoch, aber 249 Meter breit (im Frühjahr sogar noch breiter). Im Sommer nutzen Einheimische und Touristen das fallende Wasser gerne zur Schulter- und Rückenmassage. Bei 12° C und eisigem Wind hat heute niemand gebadet. Beate hat ihre Wetterfestigkeit durch eine neue Strickmütze gestärkt.

Ganz im Westen

Etwas südlich von Liepāja liegt der Naturpark Bernati. Er vereint den Pusena-Berg (mit 37 m die höchste Düne Lettlands) und den westlichsten Punkt Lettlands. Der Strand mit seinem schönen weißen Sand, die Dünen und der Kiefernwald mit den lebensgroßen Skulpturen des Holzschnitzers Alvis Vitrups locken im Sommer wohl viele Besucherinnen und Besucher an; bei 14° C und starkem Wind sind wir heute fast allein unterwegs.

Grüße von der Expo 2000 in Hannover

Die St. Meinard-Kirche steht noch nicht sehr lange in Liepāja. Auf der Expo 2000 in Hannover war das Gebäude der Pavillon des Vatikans. Zwei Jahre später schenkte der Kirchenstaat den Pavillon der Kirchengemeinde in Liepāja und Papst Joannes Paulus II stiftete gleich noch eine Glocke dazu. Schöne Geste.

Die Stadt des Windes und der Rockmusik

Liepāja steht ganz im Zeichen der Musik: Noten im Bürgersteig und im Pflaster führen zu den Sehenswürdigkeiten. Vor dem Rock-Cafe (drei Stockwerke voller Musik, 22 Stunden täglich geöffnet) steht die größte Gitarre Lettlands. Gleich daneben ist der „Walk of Fame“, in dem lettische Musiker ihre Handabdrücke in Bronze hinterlassen haben. Das Lied „In der Stadt, wo der Wind geboren wird“, ist die Hymne Liepājas – und jedes Wort stimmt.

Die erste elektrische Straßenbahn Lettlands fährt seit 1899 durch das 20 km lange und nur 3 km breite Liepāja. Die 15 km lange Linie durchquert die Stadt in einer halben Stunde, vom Süden über das historische Zentrum bis zum Bahnhof in der industriell geprägten Neustadt. Der nördlich anschließende russische Stadtteil Karosta bleibt außen vor. Das Quartier war vom zaristischen Russland als eigene Stadt geplant.

Der Kriegshafen ist das größte militärische Gelände im Baltikum. Noch heute ist Karosta ein russisch geprägtes Quartier, mit Plattenbauten, Kasernenruinen, aber auch ausgedehnten Waldflächen. Am Meer sorgen Wellenbrecher für ruhige See im Hafen; hinter der Nordmole hat sich eine Windsurf-Schule angesiedelt. Das höchste Kuppelgebäude im Baltikum, die Orthodoxe Meereskathedrale St. Nikolai, wird seit dem Abzug der sowjetischen Soldaten 1991 wieder für Gottesdienste genutzt.

In der Jugendstil-Markthalle am Petersmarkt haben uns die Fleischtheken begeistert: Schwein in allen Variationen. An den ersten Thekenmetern gibt es die edlen Teile - Braten und Steaks, Lende und Schnitzel. Auf den nächsten Metern sehen wir Teile vom Schwein, die bei uns nicht mehr oder nur auf Bestellung zu haben sind: spitze Schweineohren und zarte Schweinefüße, allerlei Innereien, unglaublich viel Fett - und die halben Schweineköpfe.

Eine besondere Nacht

Mo, 23. Juni. Heute Nacht ist Ligo-Fest und morgen Johannistag, beides Feiertage im ganzen Land. Die Frauen schmücken sich mit Blumengirlanden, die Männer nehmen Kränze aus Eichenlaub – und feiern zusammen die Sommersonnenwende. Auf unserem Campingplatz bei Nica ist der Teufel los: überall laute Musik, Männer an den offenen Grillstellen, Frauen an den überbordenden Tischen, später wird geschwoft und getanzt. Zum Sonnenuntergang wird das Feuer am Strand entzündet, denn heute Nacht soll es nicht dunkel werden. Früher kamen neun Monate nach Johannis viele Kinder auf die Welt.

Das passende Ambiente fürs Hochzeitsfoto

Sa, 21. Juni. Auf dem Busparkplatz stehen zwei Stretch-Limousinen, im Park des Schlosses von Rundale treffen wir auf die MitfahrerInnen: Samstag ist Hochzeitstag in Lettland, und der Schlosspark mit dem riesigen Barockschloss ergeben einen schönen Hintergrund für die Hochzeitsfotos. Das Fotoshooting wird ziemlich professionell aufgezogen, mit Fotograf und Helfer für die Lichteffekte, der Stylistin mit Schminkkoffer zum Auffrischen des Makeups und dem Zeremonienmeister, der auf das richtige Timing achtet.

Das Schloss Rundale ist einer der größten Barockpaläste im Baltikum. 138 Zimmer, erbaut für den Herzog von Kurzeme/ Kurland und seine Familie, mit zwei riesigen Sälen für Festbankette und Bälle, dem Goldenen Saal für die Audienzen des Hausherrn, den zahlreichen Räumen für den Herzog und die Herzogin, natürlich in unterschiedlichen Flügeln des Schlosses. Wir blicken in den Toilettenraum, gleich neben dem Boudoir der Herzogin.

Das dreiflügelige Schloss liegt in einer französisch inspirierten Parkanlage, mit barocken Buchsbaumornamenten und den herrlich duftenden Rosengärten, mit kugelig gestutzten Lindenalleen und berankten Laubengängen, mit Wasserspielen und bunten Blumenrabatten. Zur vollen Stunde ertönt Musik aus der Spieluhr über die Gartenanlage.

Eine neue Reise