Der Nabel der spanischen Welt

26.-30.4. Philipp II gründete seine Hauptstadt 1561 im geografischen Mittelpunkt des spanischen Reiches – mitten in der Provinz, auf 655 Metern überm Meer. Damit ist Madrid zugleich die am höchsten gelegene Hauptstadt Europas. An der Plaza Puerta del Sol steht der Kilometerstein „0“, von dem aus alle Straßenentfernungen Spaniens gemessen werden. Sol ist zugleich auch ein Zentrum der spanischen Hauptstadt, pulsierendes Leben in den Großstadtfluchten.

Madrid wurde am Reißbrett geplant: breite Schneisen für den Fahrzeugverkehr, fast immer von Bäumen gesäumt; die Fußgänger werden eher an den Rand gedrängt – oder unter die Alleen in der Straßenmitte. Der Verkehr fließt meist reibungslos; große Entlastung bringen das ausgeklügelte Bussystem und die Metro-Linien, die im 4-5-Minuten-Takt fahren.

Faszinierend sind die Fassaden: fünf-sechs Stockwerke hoch, meist reich geschmückt mit Jugendstil- und plateresken Motiven, oft mit Türmchen an den Hausecken – oder einfach als ruhige Front französischer Balkone. Madrid ist eine pulsierende Großstadt, obwohl die Glaspaläste der Banken in der Innenstadt fehlen (die gibt es nördlich des Zentrums). Und Madrid ist grün – in den Straßen mit den riesigen Platanen, und in den großen und kleinen Parks quer durch die Stadt.

An der Plaza Espana stehen die ältesten und bis in die 1980er-Jahre auch höchsten Wolkenkratzer des Landes: Der Torre de Madrid (links) misst 142 m und wurde 1957 erbaut; Seit 1953 reckt sich der Edificio Espana 117 m in die Höhe. In der Mitte davor steht das (auch nicht ganz kleine) Cervantes-Denkmal mit den berühmten Romanfiguren Don Quijote und Sancho Panza.

Madrilenische Türmchen

Das moderne und das königliche Madrid

26.-30.4. Obwohl wir in der Nebensaison reisen, sind wir nicht allein. Viele Touristengruppen werden durch die Stadt geführt, Gäste aus aller Welt nehmen den Doppeldeckerbus oder schlendern allein durch die Stadt. Für besondere Fotomotive sorgen die zahlreichen Künstler und Gaukler, die bewegungslos sitzenden Figuren und die Schwert schwingenden Konquistadoren, Spidermen oder die kopflosen Gestalten.

Der Palacio Real, der Königspalast, ist zwar in großen Teilen zugänglich, wird aber auch heute noch für wichtige Anlässe des Königshauses und des Staates genutzt. Als Beate 1986 zuletzt hier war, wurde gerade der Beitrittsvertrag Spaniens zur Europäischen Union unterzeichnet. Das Innere soll vor Luxus und Schätzen geradezu überquellen, die sich über die 2000 Zimmer verteilen. Näheres können wir nicht berichten, wir waren nicht drin.

Die Kathedrale Nuestra Senora de la Almudena gleich neben dem Palacio Real hat uns enttäuscht: Gebaut wurde sie im 19./20. Jahrhundert, aber in einem rückwärtsgewandten Stil, mit Kreuzrippengewölbe und Pfeilergewirr. Der Blick geht durchs Querhaus zum reich verzierten und vergoldeten Seitenaltar, zu dem die Gläubigen hinaufsteigen und oben eine silberne Schale berühren.

Die reine Freude dagegen waren die Museen: In Prado die Alten Meister, im nach der früheren Königin benannten Centro de Arte Reina Sofia die unter Francos Herrschaft Verfemten mit Picassos grandiosem Werk „Guernica“. Wir waren zwei Tage in den Sammlungen von Weltrang und haben die Kunst bestaunt. Bei unserem nächsten Madrid-Besuch schauen wir uns die Kunstsammlung Thyssen-Bornemisza an.

„Stein gewordene Arroganz“

22.-26.4. Toledo, die frühere Hauptstadt Spaniens, die Stadt der Könige und der Inquisition. Thomas Schröder, Autor unseres Spanien-Reiseführers aus dem Michael-Müller-Verlag, nennt sie: „Stolz bis zum Hochmut, Stein gewordene Arroganz.“

Die Arroganz können wir nachvollziehen: Den höchsten Hügel besetzt der Alcazar, früher maurisches Herrschaftszentrum, dann Königspalast, heute Museum und öffentliche Bibliothek. Den nächsten Hügel besetzt die katholische Kathedrale, früher westgotischer Tempel, dann Moschee. Und dazwischen geht es bergauf und treppab, durch enge Gassen und vorbei an hohen Mauern. Wege, die breiter als 1,70 m sind, gelten als Fahrstraße. Breitere Passagen werden durch Souvenirstände und Kundenstopper verengt. Die schicke Dame links ist auf dem Weg zu einer Hochzeit in der Kathedrale.

Toledos Hauptplatz ist die Plaza Zocodover, ringsum von Häusern gesäumt, die wiederum auf fünf Ebenen offene Balkone oder diese wunderbaren Holz- und Eisenkonstruktionen zum Platz ausrichten. McDonalds und BurgerKing haben es zwar auch hierher geschafft, dürfen aber nicht so Platz-verschandelnd werben wie bei uns. Eine tolle, ruhige Atmosphäre, schattig unter Bäumen.

Einer der berühmtesten Künstler Toledos ist El Greco, der Kreter, der hier viele seiner Bilder gemalt hat. Auffällig lang sind seine Figuren; Kopf, Hände und Füße sind besonders gestreckt. Obwohl er im 16. Jahrhundert gelebt hat, wirken seine Bilder überaus lebendig und modern. „Die Entkleidung Christi“ hängt in der Sakristei der Kathedrale; deshalb durften wir sie fotografieren. Im El-Greco-Museum dagegen war Knipsverbot. Am Sehenswertesten dort war auch eher das Ambiente: Nicht hier, aber in solch einem Haus mit Innenhof und Garten hatte der Grieche seine Lebens- und Arbeitsstätte.

Die Kathedrale von Toledo zählt neben Burgos und Leon zu den bedeutendsten Kirchen Spaniens. Der Erzbischof von Toledo ist zudem der Primas der spanischen Bischöfe. Im Inneren erstaunt ihre gewaltige Weite – allerdings steht in der Mitte wieder ein Chor mit prächtig geschnitztem Gestühl. Die riesige Altarwand wurde von deutschen Holzschnitzern gestaltet, später bemalt und vergoldet. Allein der Kreuzgang misst 52 m im Quadrat. Der Tresor beherbergt eine Monstranz aus über 170 kg Gold und Silber – die Rohstoffe in Amerika geklaut, die Kunstwerke mithilfe deutscher Silberschmiede geschaffen. Im Kapitelsaal finden wir die Konterfeis aller Erzbischöfe von Toledo. Die Sakristei allein ist eine Kunstgalerie ersten Ranges, mit Werken von El Greco, Goya, Tizian, Raffael, van Dyck, Ribera …

In der Kathedrale von Toledo

Royale Sommerfrische in Aranjuez

18.-22.4. Das spanische Königshaus hat die Sommermonate gerne in Aranjuez verbracht. Das Klima ist Dank des vorbeifließenden Tajo, der auch die ausgedehnten Parkanlagen, Gärten und Obstplantagen bewässert, gut erträglich. Das Schloss erscheint uns sehr groß dimensioniert, mit riesigen Anbauten für Pferde und Reiter, für Bedienstete und Gäste. Alexandre Dumas soll die Schloss- und Parkanlagen als „spanisches Versailles“ bezeichnet haben. Heute konnten wir hier die Hochzeitskleider der früheren und der aktuellen spanischen Königinnen sehen.

Drei kleine und größere Parks sind rund um das Schloss und entlang des Tajo angelegt, mit Skulpturen und Springbrunnen, bunten Blumeninseln unter altem Baumbestand und Obstplantagen. Aranjuez ist das Frühlingsziel der Madrilenen: Hier wachsen der beste Spargel und die süßesten Erdbeeren weit und breit; ab Mai fährt jedes Wochenende der „Tren de Fresas“ (Erdbeerzug) von Madrid nach Aranjuez. Leider hat sich der schwarze Schwan (links im Bild) gerade weggedreht.

Eine neue Reise