Nördlicher Schilderwald

Abschied vom hohen Norden

Der 60. Breitengrad markiert den Übergang vom hohen Norden zum Rest Kanadas: Die Südgrenze von Yukon Territory, Nordwest Territories und Nunavuut verläuft auf 60 Grad nördlicher Breite, südlich davon liegen British Columbia, Alberta, Saskatchewan, Manitoba, Ontario, New Brunswick, Prince Edward Island, Nova Scotia sowie Newfoundland & Labrador; nur Quebec ragt mit einem Zipfel über die 60 Grad-Marke. In Europa streift 60 ° Nord die Shetland Inseln und verläuft nördlich von Oslo und südlich von Helsinki. Ab jetzt fahren wir wieder südwärts und Richtung Osten.

18. August, Alaska Highway, Süd-Yukon

Nach Atlin, zweiter Versuch

16.8. Vor dem Nationalfeiertag am 1. Juli ist unsere Fahrt nach Atlin an der Camping-Kapazität gescheitert. Jetzt klappts endlich und wir fahren die rund 100 km lange Stichstraße nach Süden. Auf dem langgestreckten Atlin Lake wurden seit 1900 Fracht und Passagiere befördert, anfangs zu den Goldminen, später auch zum reinen Vergnügen; gern gebucht waren die Sonnenuntergangstrips zum Gletscher. Heute geht es ruhiger zu in Atlin. Wir spazieren an den schön gestrichenen Fassaden der alten Holzhäuser entlang. In Betrieb sind noch zwei Groceries und die Trading Post, das Gefängnis nicht mehr, die alte Schule ist heute Museum. An Land liegen zwei alte Ausflugsdampfer, auf dem See startet gerade ein Wasserflugzeug mit einem Höllenlärm. Freitagmittag verkauft eine Gärtnerin Gemüse aus dem Autokofferraum; frisches Brot wird erst nachmittags gebacken. Ländlich, beschaulich.

Mule Deer (Maultierkuh) mit Kitz und Biber bei der Arbeit

Von Caribou Crossing zu Carcross

15.8. Der Emerald Lake entfaltet seine grüne Farbenpracht leider nicht an diesem trüben Tag. Und auch „Carcross Desert“, das sich mit dem Titel „kleinste Wüste der Welt“ schmückt, ist gar keine Wüste, sondern der Rest eines eiszeitlichen Sees; dennoch sind die wandernden Sanddünen etwas Besonderes im hohen Norden Kanadas. Unser Tagesziel aber ist Carcross, ein uralter Jagd- und Angelplatz der Tagish First Nation und 1899 offiziell als Caribou Crossing benannt. Das Visitor Center und die Kunsthandwerk- und Souvenirläden schmücken sich denn auch mit bunter Tagish-Malerei und einigen Totempfählen.

Herz des Städtchens ist die Bahnlinie „White Pass und Yukon Route“, mit dem rot gestrichenen Bahnhof aus dem Jahr 1910; die Originalstation war bei einem Brand zerstört worden. Von 1900 bis 1982 beförderte die Eisenbahn hier Passagiere und Fracht, die Nebengebäude dienten noch ein paar Jahre länger als Lager. 2006 wurde die Linie zwischen Skagway /Alaska und Carcross wieder eröffnet und ist nicht nur für die Kreuzfahrtschiff-Reisenden aus Skagway ein schöner Eisenbahn-Ausflug in den Yukon. Die 125 m lange Drehbrücke nebenan wurde 1900 so gebaut, dass sich die 46 m lange Mittelsektion um eine zentrale Achse schwingen lässt, damit die Raddampfer an jeder Seite passieren konnten. In der Praxis hat sich die Brücke nur ein paarmal für die Schiffe gedreht, aber noch heute ist sie als Eisenbahnbrücke in Betrieb.

Für Carcross gibt es eine wunderbare Broschüre, in der die Geschichte und die BewohnerInnen der alten Häuser und Hütten detailliert erklärt wird. In dem grünen Tiny-Haus lebte Tommy Brooks, Goldsucher und Poet von Ende der 1920er bis in die frühen 1960er-Jahre; ab 1989 malte der Künstler Albert Peterson hier einige Werke im schmalen Wohnzimmer mit Oberlicht. Beim Haus von Leo Simmons, einem Nerz- und Fuchszüchter,  kann man sehen, wie sich die Schaufassade deutlich vom Rest des Gebäudes absetzt. Bemerkenswert ist der Matthew Watson General Store, der seit über 100 Jahren ununterbrochen als Warenhaus geführt wird – früher mit Minenarbeiterutensilien und Singer-Nähmaschinen, dann mit eleganten Hüten in Seide-gefütterten Schachteln, heute mit Kunsthandwerk, Kleidung und Souvenirs sowie einem Café mit Backshop.

Wieder in Whitehorse

14.8. Am Miles Canyon liegen die Anfänge von Whitehorse. Hier toste der Yukon früher ungebremst durch die engen Felswände und brachte viele Flöße und Boote zum Kentern. Heute sind die Stromschnellen Geschichte, der schnell fließende Fluss wird durch einen Stausee mit anschließendem Kraftwerk ausgebremst. Allerdings nicht nur der Fluss abwärts auf seinem Weg zum Meer, sondern auch die Lachse auf ihrer 3200 km langen Reise vom Beringmeer quer durch Alaska und Yukon Territory zu den Laichgründen am Oberlauf des Yukon River und seinen Nebenflüssen. In Whitehorse können die Lachse (und natürlich auch Süßwasserfische) über eine 360 m lange Fischleiter aus Holz in den Stausee und zu ihren Laichplätzen gelangen; Mitte August sollte die Hauptwanderzeit der Lachse sein, heute aber kam nur ein Weibchen durch.

Eine Pionierbrücke und glänzende Radkappen

Am Alaska Highway gibt es immer mal wieder Relikte aus den Goldrauschjahren und der Bauzeit des Mammutprojekts. Bei km 1548 steht noch eine alte Holzbrücke neben der heutigen Fahrbahn und führt über den Canyon Creek; die Holzhütte gleich dahinter ist leider halb verfallen. Bei km 1487 kann man noch ein paar Kilometer alten Highway nach Champagne fahren, einem Dorf der First Nations, die ihre Toten auf dem Friedhof mit kleinen Hütten für die Geister ehren. In der Ortsmitte steht noch ein Pfahl der historischen Meile 974, daneben ein altes Handelshaus mit hunderten von Chrom-glänzenden Radkappen, sorgfältig an langen Pfählen angeschraubt oder genagelt.

Ein Tag Kluane Nationalpark-Blick

12.8. Nur mit den Fernrohr des Tachäl Dhäl Besucherzentrums entdecken wir die Dall-Schafe hoch oben auf dem Sheep Mountain; den Sommer über waren sie weiter drinnen im Kluane Nationalpark, jetzt kommen sie langsam wieder in tiefere Zonen zum Überwintern. Über den Sulphur Lake fahren wir weiter nach Haines Junction, der historischen „Meile 1016“ beim Bau des Alaska Highways. Ab hier wurde die 160 Meilen (257 km) lange Verbindungsstrecke zur Hafenstadt Haines gebaut – als zusätzliche Evakuierungsroute, falls die Zugverbindung zwischen Whitehorse und Skagway blockiert wäre; schließlich fürchtete die USA 1942 eine Invasion Japans in Alaska. Wir verzichten auf den 600-km-Umweg über Haines und Skagway und fahren direkt nach Whitehorse – allerdings nicht sofort. Denn erst mal schauen wir uns die sehenswerte Ausstellung im Da Ku Cultural Centre an, dann gehts zur Erholung an den Badestrand des Pine Lake Campings.

Wieder im Yukon Territory

11.8. Die Landschaft verändert sich wenig: Weil die Wolken tief hängen, sehen wir die Gletscher-bekrönten Fünftausender der St-Elias Mountains leider nicht, dafür aber ein Trompeterschwan-Paar, das an einem der runden Permafrost-Tümpel nistet. Beaver Creek ist die westlichste Ortschaft von Kanada und das Tor zu Alaska. Das ganze Jahr leben hier rund 100 Menschen, im Sommer doppelt so viele; hier hat die White River First Nation ihre Heimat. Am 81 km langen Kluane Lake liegt Burwash Landing, das mit der größten Goldwaschpfanne (8 m Durchmesser) wirbt. Hier bauten die Brüder Jacquot um 1900 einen Handelsposten, was die Tutchone First Nation dazu bewog, ebenfalls hier dauerhaft zu siedeln. Wir fahren noch etwas weiter am See entlang und zünden das Campfire auf dem Congdon Creek Camping an.

Die Grenze zwischen Alaska und Yukon ist grün

Eine neue Reise