Aufs Neue in Heinola: Vesa Väänänen-Kunst

Industriegeschichte im ländlichen Raum

30.8. Hochwertige Kartonagen wurden bis 1964 in der Holzschleiferei und Kartonfabrik Verla in handwerklichen Verfahren hergestellt. Abnehmer waren vor allem Buchbindereien in Europa und Amerika. Wir besichtigen mit einer deutsch sprechenden Führerin die unversehrt erhaltenen Fabrikgebäude mit den alten Maschinen und spazieren an der Residenz des Eigentümers und den Häusern der Werksangehörigen vorbei. Heute gehört das Fabrikmuseum Verla zur UPM-Gruppe und steht seit 1996 als Weltkulturerbe unter dem Schutz der Unesco.

 

Aus dem Camper-Alltag

Bargeld wird hier kaum noch eingesetzt, gezahlt wird fast immer mit Kreditkarte – auch Kleinbeträge, wie etwa zweimal Eiscreme auf die Hand. Ausnahmen gab es einmal beim Camping in einem kleinen Nationalpark (dort gab es keine Online- oder Funkverbindung) sowie einmal bei einem Marktstand (das Kartenlesegerät hat unsere Karte nicht akzeptiert). Im Supermarkt lohnt sich die Kartenzahlung doppelt, denn in Finnland werden Cent-Beträge bei Barzahlung immer auf volle 5 Cent aufgerundet; kleinere Münzen sind nicht im Umlauf. Wenn wir denn doch einmal Bargeld brauchen, gehen wir zu Otto – ein schöner Name für Geldautomaten, finden wir.

 

Dass es im schneereichen Finnland eine große Wintersportgemeinde gibt, war uns klar. Dass die Wintersportler trotz -40°C und langer Dunkelheit auch gerne Campingplätze nutzen, hätten wir so nicht vermutet. Die Sommerplätze locken die Camper mit Bootsanleger, Kanuverleih und Minigolfanlagen. Die Ganzjahresplätze müssen zusätzlich weitere Attraktionen bieten, wie etwa die Anbindung ans Loipensystem, Schneemobil-Verleih oder Eisangeln auf dem zugefrorenen See. Auf zwei Plätzen haben wir sogar richtige Skisprungschanzen auf dem Campinggelände entdeckt.

 

Lappeenranta - das Tor zum Osten

28.-29.8. Garnisonsstadt war Lappeenranta bereits im frühen 18. Jahrhundert; Zarin Katharina II ließ das zuvor schwedische Bollwerk zu einer veritablen Festung ausbauen. Viele der alten Holzhäuser wurden inzwischen restauriert, einige Mannschaftsgebäude mit großen Fenstern und Balkonen aufgehübscht. In Teilen der riesigen Festungsanlage residiert heute die finnische Armee – nicht etwa abgetrennt durch Mauern, Zäune, Schranken, sondern völlig offen: Wir radeln munter durch die Gegend und sind plötzlich umgeben von Militärfahrzeugen, Uniformträgern – und älteren Damen, die ihre Hunde ausführen.

 

Zum Aufschwung der Stadt hat der Bau des Saimaa-Kanals in den 1850er-Jahren beigetragen, der Lappeenranta über Vyborg an Sankt Petersburg anbindet. Nach 1944 wurde der Kanal geschlossen, da er in dem Teil Kareliens lag, den Finnland an die Sowjetunion abtreten musste. 1968 gelang es Staatspräsident Urho Kekkonen, den Kanal und das angrenzende Ufer für 50 Jahre von der Sowjetunion zu pachten. Die Finnen bauten auf der alten Route einen neuen Kanal mit modernen Schleusen. Der Kapitän unserer Schiffstour sagte, der Pachtvertrag für den Saimaa-Kanal sei um weitere 50 Jahre verlängert worden.

 

Kurz vor der Einfahrt in den Saimaa-Kanal breitet sich ein Moloch am Ufer aus: Die Zellulosefabrik von UPM, dem Marktführer vor StoraEnso. An Land qualmt es nicht aus allen Schloten, denn heute ist Sonntag. Im Wasser liegt der Holznachschub in Flößen am Rand des Saimaa und wartet auf Verarbeitung. Die Wirtschaft in Lappeenranta brummt; rund zwei Drittel des Umsatzes werden im Geschäft mit russischen Kunden erzielt. Und auch umgekehrt floriert der Handel, etwa wenn Autoreifen aus Fernost über die Transsibirische Eisenbahn nach Nordeuropa kommen.

 

Lappeenranta begeistert seit mehr als zehn Jahren die Sommergäste durch eine riesige Sandburg: Unter dem Motto „Prinzessinnen und Ritter und ihre Abenteuer“ wurden in diesem Jahr 3 Mio. kg Sand zu kämpfenden Reitern, drohenden Drachen und bezaubernden Burgfräuleins verarbeitet. Auch russische Touristinnen und Touristen bringen Geld in die Stadt; beim Tax-free-Umsatz liegt Lappeenranta auf Platz zwei hinter Helsinki. Am belebten Hafenkai hören wir öfter russische Sprachfetzen – und sind überrascht, als wir vom Pfifferling-Verkäufer auf dem Marktplatz in Deutsch angesprochen werden.

 

Impressionen von den Ufern des Saimaa

Mikkeli – eine Stadt mit langer Geschichte

26.8. An einem der nördlichsten Saimaa-Ausläufer liegt Mikkeli, die quirlige Hauptstadt der Provinz Ostfinnland und Sitz des Bischofs. Bereits im Mittelalter war hier eine bekannte Marktgemeinde. Als 1742/1743 fast alle Orte am Saimaa-See an Russland fielen, blieb Mikkeli schwedisch/finnisch. Auf einem Hügel thront die neugotische Backsteinkirche. Zu Füßen des Doms dominiert der Kommerz rund um den Marktplatz und die alte Markthalle, die harmonisch eingebunden wurde in den Glaspalast der überdachten Shopping-Mall.

 

Im 20. Jahrhundert hat Mikkeli durch den Marschall Carl Gustav Mannerheim Geschichte geschrieben: Der hatte hier während des Bürgerkriegs, des Winterkriegs und des Lapplandkriegs sein Hauptquartier aufgeschlagen; noch heute steht sein Reisewagen am Bahnhof von Mikkeli. Von 1939 – 1946 nutzte der oberste Befehlshaber der finnischen Armee den Reisewagen für etwa 100 Fahrten und legte knapp 80.000 km zurück. Die Reisen führten ihn entweder zu Verhandlungen nach Helsinki oder zu Inspektionen an verschiedene Frontabschnitte.

 

Mitten im Zentrum von Mikkeli steht ein riesiges Sportstadion mit allem Drum und Dran: gepflegtes Rasenspielfeld, Kugelstoß- und Hammerwurfanlagen, Stabhochsprung- und Dreisprungeinrichtungen, Wassergraben für den Hindernislauf und Zuschauerränge an allen vier Seiten – und alles offen zugänglich. Über allem wacht die Statue von Eero Lehtonen, der sich bei den Olympischen Spielen in Antwerpen (1920) und Paris (1924) Meriten erworben hat. Vielleicht ist hier eine Leichtathletikhochburg; Bruno ist ein Fußballclub Mikkeli bisher international nicht aufgefallen.

 

Imatran Koski: Ein Wasserfall wird inszeniert

Imatra – frühe Touristenattraktion am Saimaa

Die Saimaa-Seenplatte wird nach Süden durch einen Höhenrücken abgedichtet. Einziger Abfluss des Saimaa-Sees ist der Vuoski, der die Wassermassen schäumend Richtung Ladogasee ableitet. In Imatra hat sich der Fluss durchs Granitgestein gegraben. Die schmale Schlucht mit dem tosenden Wasserfall war früh Touristenattraktion: Zarin Katharina II hat zusammen mit Brasiliens Kaiser Pedro II bereits 1876 ein Graffiti hinterlassen; zu Spitzenzeiten kamen täglich 14 Züge aus Sankt Petersburg. Über den Klippen der (durchs Kraftwerk trocken gelegten) Stromschnelle thront das 1903 erbaute Nobelhotel Valton, in dem die russischen Gäste gerne logieren.

 

Der Abschluss des Sommers wird in Imatra mit einem Stadtfest begangen, bei dem auch die neue „Imatra-Ingrid“ der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Selbstredend sind die Vorgängerinnen in ihrer lokalen Tracht erschienen. „Imatra Ingrid“ repräsentiert – vielleicht ähnlich wie eine deutsche Weinkönigin – ein ganzes Jahr lang ihre Stadt bei Festen und Veranstaltungen. Umrahmt war die feierliche Inthronisation mit Gesangdarbietungen und vielen guten Wünschen. Im Stadtteil Vuoksenniska haben wir die Kirche der drei Kreuze (1956) von Alvar Aalto besucht, im nahen Ruokolahti den Glockenturm (1752) von Zimmermann Tuomas Suikkanen:

 

 

Bereits zur Zarenzeit ein „Park der Krone“

24.8. In Punkaharju hat uns wieder mal die Natur begeistert: Ein bewaldeter Kiesmoränenrücken, 7 km lang, bis zu 26 m hoch und an der engsten Stelle gerade mal so breit wie die alte Fahrstraße. Wir radeln auf dem Hügelkamm, zu beiden Seiten hohe Birken und Kiefern, und genießen den grandiosen Ausblick auf die Wasserlandschaft mit kleinen, baumbestandenen Inseln. Das Kunstzentrum Retretti ist leider (für immer?) geschlossen. Dafür ist das Finnische Forstmuseum Lusto geöffnet, wo wir eines der drei besten Mittags-Büffets unserer bisherigen Reise durch Finnland genießen.

 

Auf dem Campingplatz Punkaharju treffen wir die Weltreisenden Uschi und Hermann wieder, mit denen wir uns auf dem bereits geschlossenen Camping in Savonlinna spontan einen Abend lang vor den Mobilen unterhalten hatten. Die Bayern haben mit dem Wohnmobil alle fünf Kontinente bereist und schildern heute bei einem Glas Wein im Womo ihre Erlebnisse  - sehr spannend, kenntnisreich und inspirierend. Vielen Dank Euch beiden für die wertvollen Tipps für unser neues Mobil und unsere nächsten Touren. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen, wo auch immer.

 

Zu spät für die Opernfestspiele in Savonlinna

23.8. Früher heftig umkämpft war die Burg Olavinlinna in Savonlinna: Sie wurde von Schweden im 15. Jahrhundert erbaut, von Russland mehrfach belagert und schließlich 1742 eingenommen – und wieder als Grenzbollwerk auf der kleinen Granitinsel instand gesetzt und erweitert. Heute gilt die Festung mit ihren Rundtürmen und kantigen Bastionen als schönste Burg Finnlands. Hier finden alljährlich im Juli bis Anfang August die international renommierten Opernfestspiele statt. Die haben wir leider verpasst, wir sehen bei der Burgführung nur das Zeltdach im Burghof.

 

Rund um die Burg sind einige schöne Holzhäuser erhalten geblieben, darunter das Opernhaus von Savonnlinna sowie die kleine, früher orthodoxe und heute evangelische Kirche. Auf dem Marktplatz präsentieren Italiener, Franzosen und Holländer ihre kulinarischen Spitzenprodukte; wir finden ein gutes Mittags-Buffet in einer öffentlich zugänglichen Schulkantine. Der Verdauungsspaziergang führt uns zum Hafen, von dem aus in der Sommersaison die Ausflugsschiffe zur Seenreise aufbrechen, und zum neugotischen Dom, der im Miniformat fünf Vogelfamilien Obdach bietet.

 

Kerimäki: die größte Holzkirche der Welt

Mal wieder in einer richtigen Stadt

18.-21.8. Wir sind jetzt am Nordostrand der Saimaa-Seenplatte. Joensuu ist das Wirtschafts-, Kultur- und Bildungszentrum Nordkareliens – auch wenn die in den 1960er-Jahren gegründete Universität inzwischen mit anderen Hochschulen zur Ostfinnischen Universität verschmolzen ist; Sparzwang auch im Pisa-Bildungsland. Die Ferien sind vorbei, die Stadt ist bevölkert, die touristische Infrastruktur beginnt langsam ihren Winterschlaf: Das Motorschiff Vinkerin II hatte seine letzte Fahrt auf den Seen, Flüssen und Kanälen am 12. August, die orthodoxe Nikolaus-Kirche ist nur noch zur Messfeier geöffnet.

Seit dem Bau des Saimaa-Kanals vor gut 150 Jahren ist Joensuu ein wichtiger Hafen für die Holzindustrie. Die Holzstämme lagern einfach im Pielisjoki, von der Schiffs-Fahrrinne durch ein Mäuerchen getrennt, respektive durch Kunststoffschwimmbänder, die wir sonst als Ölbarriere kennen; das ist überaus praktisch und erspart den holzverarbeitenden Firmen die Dauerberieselung der Holzhalde mit Wasser. Für den Schiffsverkehr durch die Stadt sind die älteren Brücken mit Hebe- oder Drehmechanismus ausgestattet, die neuen Verkehrswege sind hoch genug.

 

Der Monumentalbau von 1914 trägt außen deutliche Zeichen von Jugendstil. Im Inneren sind zwei manchmal gegensätzlich agierende Institutionen angesiedelt – die Stadtverwaltung und das Stadttheater nebst Theaterrestaurant. Geplant wurde das rote Backsteingebäude mit dem weithin sichtbaren Turm vom finnischen Architekten Eliel Saarinen. Hinter dem Rats-Theater schließt sich die Uferpromenade an mit vielfältigen Sitz-, Flanier- und Spielmöglichkeiten, mit Eis-Ständen, Kaffee-Stuben und den jetzt für den Winter geparkten Ausflugsschiffen.

 

Nach Wochen in einsamer Natur oder eher überschaubaren Gemeinden, genießen wir das Gewusel einer Stadt mit 74.000 EinwohnerInnen. Von der hervorragenden Infrastruktur mit Trabrennbahn, jeder Menge Sportplätzen und Sport-Arenen (für Curling, Eishockey, Golf, Leichtathletik, Schwimmen, Squash etc.) können deutsche Städte vergleichbarer Größe nur träumen. Die Wirtschaft floriert, auch im Kleinen. Beim Flohmarkt auf dem Marktplatz kann man fast alles kaufen – von Büchern und Spielzeug über Kleidung und Teppiche bis zu Möbeln und Geschirr. Profis verkaufen ihre Sachen gleich aus dem Anhänger.

 

Unser Campingplatz liegt zwischen einem Wissenschaftspark und der riesigen Gesangstribüne des Festivalgeländes. Beide Nachbarn haben für Unterhaltung gesorgt: Auf dem Festgelände gastiert gerade das „Finnische Tivoli“, ein Vergnügungspark mit Kinder-Karussells, Geisterbahn, Achterbahn sowie einigen Hochgeschwindigkeits-Fahrgeschäften – nix für uns; pünktlich um 20 Uhr werden Lichtorgeln und Musikbeschallung ausgestellt. Der Wissenschaftspark gegenüber hat uns am Freitagabend mit einem Live-Konzert erfreut – bis 24 Uhr, dann war Ruhe. Die Finnen sind sehr diszipliniert.

 

Eine neue Reise