Aus Estancias werden Ranchos

29.12. Nach gut drei Stunden an der argentinisch-chilenischen Grenze sind wir glücklich in die Region Aysen, die 11. Region Chiles, eingereist – und fahren jetzt auf allerbesten Asphaltstraßen. Die Landschaft hat sich total verändert: sattes Grün und viel mehr Zäune. Denn die Weiden gehören nicht mehr nur einem Großgrundbesitzer, sondern vielen einzelnen Bauern, die von der Viehzucht und dem Holzeinschlag gut leben können. Chile hat seine Landreform umgesetzt. Die Estancias heißen hier Ranchos.

 

In der Regionalhauptstadt Coyhaique

30.12. Coyhaique liegt am Zusammenfluss von Río Simpson und Río Coyhaique an der Fernstraße Carretera Austral. Sie wurde Anfang der 1920er-Jahre gegründet und hat im Zentrum eine fünfeckige Plaza sowie viele Häuser im südchilenischen Baustil, ganz aus Holz und mit überlappenden Schindeln. Wir sind wie immer früh dran, die Straßen sind noch wenig belebt. Die wunderschöne Araukarie steht vor der Kirche; sie schmückt sich mit ihren Fruchtständen - und ganz dezent mit einem weihnachtlichen Silberglöckchen.

 

Marienkult statt Anbetung der Volksheiligen

Auch an den Straßen im Süden Chiles laden Altäre am Wegrand zum Innehalten; hier haben sie allerdings christlich-katholischen Ursprung. Der Altar der Virgen de la Cascada / Jungfrau des Wasserfalls steht bei der gleichnamigen Kaskade. Er ist geschmückt mit unzähligen, bunten Plastikblumen, daneben steht ein überdachter Holzschuppen mit Votivtafeln, kleinen Marienfiguren und brennenden Kerzen. Der Wasserfall springt in zwei Stufen zu Tal.

 

Eine Arena fürs Rodeo

Der 1200-Einwohner-Ort Manhuales schmückt sich mit einer Medialuna, der halbmondförmigen Arena für das chilenische Rodeo. Hier treffen sich die Huasos (in Argentinien heißen sie Gauchos) zum gemeinsamen Wettstreit. Die Reiter sind fein gewandet mit Bolero-Weste und Hut, die Pferde lange gestriegelt und herausgeputzt. Pferd und Reiter zeigen ihre Künste beim Einfangen der Rinder mit dem Lasso. Bewertet wird der Gesamteindruck, die Schönheit und  Harmonie von Tier und Mensch.

 

Wasserfälle und Stromschnellen

Im Zauberwald des NP Queulat

Es ist einfach unglaublich: Gestern noch waren wir in der kargen Steppe, heute wandern wir durch schier endlosen Urwald. Der Regenwald im Nationalpark Queulat ist zwar kalt bzw. gemäßigt, aber dunkelgrün und vor Nässe strotzend – unten. Oben strahlt die Sonne vom blauen Himmel – el Niño ist auf unserer Seite. Nach der Queulat-Passhöhe (500 m) mit Blick auf einen hängenden Gletscher geht es auf enger Piste, vorbei an riesigen Farnen, Fuchsien und der Nationalblume „Chilenische Wachsglocke“ runter zum Ventisquero-Fjord.

 

Zarte Blüten am Wegrand

Beim Pionierdorf Puyuhuapi

31.12. Spazieren oder Baden im Thermalwasser? Während viele Mitreisende die kleinen Thermalbecken wählen, wandern wir auf der Piste entlang des Ventisquero-Fjords bis zur Lachszuchtstation und beobachten die aufsteigenden Nebelschwaden  . Die mannshohen Rhabarberbüsche (Pangue, auch Nalca genannt) begeistern uns: Die Blätter sind viel größer als unser Rhabarber und erinnern eher an gut 2 m breite Regenschirme, die Stiele ergeben gekocht ein leckeres Mahl. Auch die Fuchsien sind hier deutlich größer als daheim und begrünen ganze Berghänge.

 

Die Brüder Hopperdietzel haben sich 1935 am Ende des Ventisquero-Fjords niedergelassen und das Gebiet urbar gemacht; ihre Teppichmanufaktur kann noch heute besichtigt werden. Wir erkunden Puerto Puyuhuapi mit seinen hübschen Holzhäusern und Bauerngärten, vorbei an deutsch klingenden Pensionsschildern und den Tsunami-Warntafeln. Zwei wunderschöne Kolonialwarenläden bieten alles, was das Herz oder der Kochtopf begehren. Wir entscheiden uns für Hoppendietzel-Bier aus der hiesigen Brauerei und bewundern das Schaf im Schubkarren, das vor der Tür geparkt ist.

 

Auf der Carretera Austral nach Norden

Die Carretera Austral (= Südstraße; offiziell: Ruta 7 in Chile) ließ Diktator Pinochet ab den 1970er-Jahren in Südchile anlegen. Sie führt auf rund 1250 Kilometern vom Südrand der Region Aisén, durch Urwälder und Sümpfe, an Gletschern und Fjorden vorbei, bis nach Puerto Montt. Nicht alles ist asphaltiert und nicht alles ist ohne Fährunterstützung zu bewältigen; an weiteren 1000 km am südlichen Ende in der Region Magellanes, wird wohl noch Jahrzehnte gebaut. Dennoch eine grandiose Leistung der Straßenbauingenieure und der unzähligen Soldaten, die zum Bau abkommandiert wurden.

 

La Junta ist (wie Puyuhuapi  weiter südlich) einer der Orte, der erst durch die Carretera Austral zur Siedlung geworden ist – mit großem Einzugsgebiet, wie der Laster zeigt: Auf der Ladefläche stehen offene Fässer, die an der Tankstelle nacheinander gefüllt werden. Wenigstens sind die Umstehenden aufgefordert, nicht zu rauchen. Wir fahren flott über die bestens ausgebaute Straße – bis sie wieder in Schotterpiste mit einspuriger Brücke über den Rio Palena übergeht.

 

Eine einsame Ranch am Wegrand

Auch in Chile ist Patagonien überaus dünn besiedelt, wenngleich die Landschaft in freundliches Grün getaucht ist. Die Besitzer des kleinen Bauernhofs haben die Gegend um ihr Haus vermutlich schon vor Jahren gerodet. Die Baumstämme liegen nur wenig zerteilt auf den Weiden und sie verrotten nur langsam – patagonisches Hartholz eben. Eigentlich hat das Holz einen hohen Brennwert, aber auch hier wird wohl lieber mit (subventioniertem) Erdöl geheizt.

 

Im Urstromtal des Rio Palena

Eine neue Reise