Wieder auf dem Festland

27.12. Heute ist viel Betrieb an der Fähre bei Puerto Espora/ Punta Delgada; etliche Lastwagen und viele Autos sind nach Weihnachten unterwegs. Während der halbstündigen Fahrt über die Magellan-Straße genießen wir die Sonne und bewundern die Anmut der Delfine, die uns ein Stück begleiten. Die chilenisch-argentinische Grenze bei Monte Aymond können wir dank gemeinsamer Abfertigung und ganz ohne Frucht- oder Fahrzeugkontrolle nach nur 35 Min. passieren.

 

Wir sind wieder in der patagonischen Steppe mit ihrer kargen Vegetation. Abwechslung fürs Auge bieten einige längst erloschene Vulkankegel und ein paar frisch geschorene Schafe oder Guanacos, die durch die Ödnis ziehen. Hier ganz in der Nähe liegt die Estancia El Condor, eine riesige Schaffarm, die heute zum Benetton-Imperium gehört. Der italienische Textilkonzern besitzt in Patagonien mehr als 1 Mio. Hektar Land und ist damit der größte Grundbesitzer Argentiniens.

 

Mittagspause in Rio Gallegos, Hauptstadt von Santa Cruz, der zweitgrößten Provinz Argentiniens. Im geschützten Hafen am gleichnamigen Fluss werden vor allem Steinkohle und Schafwolle verschifft. Leider haben wir keine Fliegenfischer gesehen, die hier gerne Forellen fangen. Der Tidenhub an diesem Teil des nahen Atlantiks ist mit 16 m überaus beachtlich. Néstor Carlos Kirchner, von 2003 bis 2007 Argentiniens Staatspräsident, ist in Rio Gallegos geboren und aufgewachsen.

 

Steppenlandschaft so weit das Auge reicht. Ab und zu ein paar gelb blühende Gräser, ein paar graue Dornenbüsche. Die dunkelgrau-grünen Sträucher reichen gerade bis zum Oberschenkel. Die Estancias an der Ruta 3 liegen 30 - 50 km auseinander. Zäune aber stehen überall, rechts und links der Straße, intakt und sehr gepflegt; kaum mal ein Pfosten, der sich schräg im Wind wiegt. Unendliche Weite bis zum Horizont. Leere Ödnis bis zu den Wolken.

 

Selten wird die Steppe durch fruchtbare Landschaft unterbrochen. Immer ist ein Flusslauf dafür verantwortlich, wie hier der Rio Santa Cruz. Auf der Flussinsel Pavon soll ein touristisches Zentrum gebaut werden. Das ist sicher der richtige Platz, denn am Ufer ist es windstill und heute sonnig und warm. In der Raststätte an der Brücke über den Rio Santa Cruz genießen wir einen hervorragenden Espresso. Nicht umsonst gelten die Argentinier als die „Italiener Südamerikas“.

 

Der tiefste Punkt Südamerikas

Westlich der Ruta 3 erstreckt sich die Gran Bajo de San Julian (das Große San-Julián-Becken) mit der Laguna del Carbón, einem Salzsee ohne natürlichem Abfluss. Hier liegt der tiefste Punkt des amerikanischen Doppelkontinents, 107 Meter unter dem Meeresspiegel, wie das Hinweisschild verkündet. Wikipedia nennt nur 105 Meter unter NN; in jedem Fall sei hier die tiefste Senke der Südhalbkugel und die siebttiefste Landstelle der Welt.

 

In der Bucht von San Julian

An der Uferpromenade von Puerto San Julian bewundern wir den Nachbau der Nao Victoria, einem Schiff der Magellan-Flotte, das den Seeweg durch den amerikanischen Kontinent  entdeckte und als einziges der fünf Schiffe die Weltumseglung vollendete – eine Meisterleistung auf einer Nussschale mit nur 27 m Länge und 7 m Breite. In der Bucht von San Julian schlug Magellan 1520 eine Meuterei nieder. Francis Drake ankerte 1578 auf seiner Weltumsegelung auch hier und musste sich ebenfalls mit Meuterern auseinandersetzen. 

Schneller Reichtum in der Steppe

28.12. Pico Trincado kündigt sich bereits einige Kilometer vorher an: Überall am Wegrand, in den Büschen und Zäunen hängt Plastikmüll. Das Erdölstädtchen ist wohl zu schnell gewachsen, die Infrastruktur muss erst noch nachziehen. Am Geld sollte es weder hier noch in Las Heras liegen; auch dort wird seit 1910 Öl gefördert, auch dort ist die Landschaft vermüllt. Auf den Feldern nicken die Ölpumpen, die in Argentinien „schwarze Schwäne“ genannt werden. Von den Hügeln grüßen einige Windräder, die Ressourcen schonend Strom erzeugen.

 

Während die Steppenlandschaft an uns vorbeizieht, erzählt Reiseleiterin Angelika aus der jüngeren Geschichte, von der Militärdiktatur der 1970er- und 1980er-Jahre. Argentinien hat als einziges Land Südamerikas den Folterern und Schlächtern der Militärjunta den Prozess gemacht. Die Militärführer wurden verurteilt, später von Staatspräsident Menem aber amnestiert; erst Nestor Kirchner ließ sie wieder in den Knast bringen. Die Zusammenfassung und Aufarbeitung der Gräueltaten ist als Buch erschienen; deutscher Titel:“Nie wieder!“

 

Wir übernachten wieder in Las Antiguos am Lago Buenos Aires, kurz vor der chilenischen Grenze (auch, wenn wir morgen diesen Grenzübergang nicht benutzen, sondern einen weiter nördlich). Zuvor war der Rotel-Bus in Perito Moreno zur Reifenreparatur und wir haben die letzten argentinischen Pesos unters Volk gebracht. Über der Anden-Kette ziehen Wolken auf. Wir haben noch Sonne satt bei leicht stürmischem Wind, der auf dem Lago Buenos Aires für Schaumkronen sorgt.

 

Auf der Staubpiste Richtung Westen

Die Anden fest im Blick

104 km Schotterpiste wollen erfahren sein. Dabei zieht der Staub durch alle Ritzen der undichten Fenster im Bus wie im Bettentrakt. Zur chilenischen Grenze hin wird die Landschaft hügeliger und auch grüner, fruchtbarer. Wir sind in der Übergangszone zwischen der ostpatagonischen Steppe und dem dichten, valdivianischen Regenwald. Die Grenzer am Paso Huemules machen Mittagspause bis 14.30 Uhr, sodass dieser Grenzübertritt (mit Kontrolle des gesamten Handgepäcks auf der chilenischen Seite) mehr als drei Stunden dauert.

 

Eine neue Reise